Auch eine "hässliche" Einfriedigung eines Grundstücks ist ggf. zulässig

BGH, Urteil vom 17.1.2014, AZ: V ZR 292/12

Der Fall:
Im Jahr 2007 forderte der Kläger den Beklagten - beide sind Grundstücksnachbarn - zur Mitwirkung der Herstellung einer Einfriedigung auf der Grundstücksgrenze auf. Es kam jedoch zu keiner Einigung, so dass der Kläger eine ca. 2 m hohe Leitplankenkonstruktion errichtete. Während des anschließenden Rechtsstreites, in dem der Beklagte im Wege der sog. Widerklage die Beseitigung der Leitplankenkonstruktion begehrte, verlangte nunmehr der Beklagte seinerseits die Einfriedigung an der gemeinsamen Grenze mit einem Gitterzaun oder einer anderen, 1,20 m hohen ortsüblichen Einfriedigung.

Das Problem:
Der Kläger könnte dann die Beseitigung der Einfriedigung verlangen, wenn die Leitplankenkonstruktion die Vorschriften des nordrhein-westfälischen Nachbarrechtsgesetzes (NachbG NRW) verletzen würde (§ 1004 BGB i. V. m. §§ 35 und 50 NachbG NRW). In § 35 NachbG NRW ist geregelt, dass eine Einfriedigung "ortsüblich" sein muss. Wenn sich jedoch eine ortsübliche Einfriedigung nicht feststellen lässt, ist eine etwa 1,20 m hohe Einfriedigung zu errichten.

Das Urteil:
Nachdem das Landgericht den Kläger in zweiter Instanz zur Beseitigung der Leitplankenkonstruktion mit der Begründung verurteilt hatte, es handele sich nicht um eine "ortsübliche" Einfriedigung, hebt der BGH das Urteil nunmehr auf und verweist den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Landgericht zurück. Das Landgericht habe weder Feststellungen zu dem in diesem Fall maßgeblichen Vergleichsgebiet getroffen noch festgestellt, welche Beschaffenheit von Einfriedigungen dort üblich sei. Nur auf der Grundlage entsprechender Feststellungen sei es aber überhaupt möglich festzustellen, ob die Leitplankenkonstruktion des Beklagten ortsüblich ist oder nicht. Soweit das Landgericht meine, es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im Wohnumfeld der Parteien derartige Einfriedigungen zu finden seien, genüge dies nicht. Denn die Verneinung der Ortsüblichkeit setze zwingend voraus, dass es überhaupt eine ortsübliche Einfriedigung gebe. Lasse sich eine solche nicht feststellen, könne es auch keine Einfriedigung geben, die nicht ortsüblich ist. In diesem Fall würde jedoch ein Anspruch auf Beseitigung ausscheiden, da in § 35 Abs. 1 Satz 2 NachbG NRW lediglich die Höhe, nicht aber die Art der Einfriedigung geregelt ist. Demgemäß würde die Leitplankenkonstruktion ggf. lediglich auf 1,20 m Höhe zurückzubauen, aber nicht gänzlich zu beseitigen sein. Dies gelte selbst dann, wenn die Art der Einfriedigung ästhetisch unschön und sonst nirgends vertreten sei.

Das sagt Haus & Grund Bonn/Rhein-Sieg dazu:
Die Urteilsbegründung des BGH legt den Finger auf eine allzu nachlässige Urteilsbegründung des Landgerichts. Es ist sicherlich peinlich für das Landgericht, sich vom BGH die Gesetze der Denklogik erklären lassen zu müssen. In der Sache selbst gilt wieder einmal, dass die schöne Aussicht nach deutschem Recht nicht geschützt ist. So muss man als Grundstückseigentümer ggf. die Sicht auf eine hässliche Nachbarwand - oder wie in diesem Fall einen hässlichen Zaun - hinnehmen. Der BGH verweist in geradezu schulbuchmäßiger Weise - möglicherweise klingt dies in den Ohren des Landgerichts auch etwas oberlehrerhaft - auf den Wortlaut der einschlägigen Vorschrift, die eben im Zweifelsfall nur eine Höhenbegrenzung der Einfriedigung vorsieht, nicht aber deren Beschaffenheit. Dies ist nur anders, wenn eine andere Art und ggf. auch Höhe für die Einfriedigung ortsüblich ist - was aber in jedem Einzelfall konkret festzustellen ist.


Fundstelle:
Urteil im Wortlaut auf der Homepage des BGH

Amtlicher Leitsatz:
"Die Beseitigung einer Einfriedigung, deren Beschaffenheit den Vorschriften des Landesnachbarrechts entspricht, kann selbst dann nicht verlangt werden, wenn die Art der Einfriedigung ästhetisch unschön und sonst nirgends vertreten ist.

Die Zweckbestimmung einer Nachbarwand (halbscheidige Giebelmauer, Kommunmauer), von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden, muss nicht schon bei ihrer Errichtung vorliegen, sondern kann auch später durch Vereinbarung der Nachbarn getroffen werden."