Eine Grenzeinrichtung (Gartenzaun) darf nicht ohne Zustimmung des Nachbarn verändert werden

Auch Errichtung eines weiteren Zauns unmittelbar daneben ist unzulässig

Der Fall:
Zwei benachbarte Grundstücke werden durch einen Maschendrahtzaun mit einer Höhe von 0,65 m bis 1,07 m getrennt, der in seinem Verlauf die gemeinsame Grundstücksgrenze schneidet. Die Mieter des Grundstücks des Beklagten errichteten unmittelbar hinter dem Maschendrahtzaun ohne Zustimmung der Kläger einen zunächst elf Meter langen, später auf zwanzig Meter verlängerten Holzflechtzaun mit einer Höhe von 1,80 m.

Das Problem:
Streitig war, ob es sich bei dem Maschendrahtzaun um eine gemeinsame Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB handelte, die nach § 922 BGB nicht ohne Zustimmung des Nachbarn beseitigt oder verändert werden durfte. Insbesondere war zu klären, ob auch der auf dem Grundstück des Beklagten, unmittelbar hinter dem Maschendrahtzaun errichtete Holzflechtzaun eine solche Veränderung im Sinne von § 922 BGB darstellte, da der Maschendrahtzaun selbst nicht verändert worden war.

Das Urteil:
Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte zunächst fest, dass es sich bei dem Maschendrahtzaun um eine gemeinsame Grenzeinrichtung gem. § 921 BGB handelte. Eine solche liege vor, wenn die Anlage - nicht notwendigerweise in der Mitte - von der Grenzlinie geschnitten wird und beiden Grundstücken nutze, auf denen sie errichtet worden ist). Erforderlich für das Vorliegen einer Grenzeinrichtung sei, dass beide Nachbarn ihrer Errichtung als einer gemeinsamen Grenzanlage zustimmen. An die Zustimmung der früheren Eigentümer seien die Parteien als Rechtsnachfolger gebunden. Dabei spreche eine Vermutung für ein Einverständnis beider Nachbarn, wenn sich die Einrichtung für beide Seiten objektiv als vorteilhaft darstelle. Denn die Regelungen in den §§ 921, 922 BGB hätten zum Ziel, Streit über Vorgänge in der Vergangenheit zu vermeiden; eine scheinbare Grenzeinrichtung solle im Zweifel als eine wirkliche gelten. Nach § 922 Satz 3 BGB darf, so der BGH weiter, eine Grenzeinrichtung, an deren Fortbestand einer der Nachbarn ein Interesse hat, nicht ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert werden. Hätten Grundstücksnachbarn sich - ausdrücklich oder stillschweigend - für eine bestimmte Grenzeinrichtung entschieden, könne jeder Nachbar die Erhaltung der Grenzanlage auch in ihrer äußeren Beschaffenheit und in ihrem Erscheinungsbild verlangen. Werde sie in ihrem Erscheinungsbild etwa durch einen daneben errichteten Holzzaun wesentlich beeinträchtigt, so könnte nach § 922 Satz 3, § 1004 BGB dessen Beseitigung verlangt werden. Denn die Grenzeinrichtung sei in ihrer gesamten Beschaffenheit geschützt. Der in § 922 Satz 3 BGB vorgesehene Bestandsschutz sei nicht auf die Substanz der Grenzeinrichtung beschränkt. Vielmehr sei dabei auch das nach außen hervortretende Bild der Grenzanlage vor Veränderungen geschützt. Das Erscheinungsbild einer Grenzeinrichtung sei Bestandteil ihrer Zweckbestimmung und könnte von der ihr immanenten Ausgleichsfunktion zwischen den Interessen der Grundstücksnachbarn nicht getrennt werden. Es könne daher ohne Zustimmung des Nachbarn nicht verändert werden. Die Ausgleichsfunktion umfasse rein optisch-ästhetische Gesichtspunkte, könnte aber auch darüber hinausgehen. So könne das äußere Erscheinungsbild auch Bedeutung für den Lichteinfall auf ein Grundstück oder für gestalterische Aspekte, etwa der Erhaltung einer räumlich großzügigen Wirkung einer Außenfläche, haben.

Das sagt Haus & Grund Bonn/Rhein-Sieg dazu:
Der BGH schränkt mit diesem Urteil durchaus die Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG ein, wonach es zunächst keinen Bedenken begegnen kann, auf dem eigenen Grundstück einen Sichtschutzzaun zu errichten. Allerdings sind die Regelungen der §§ 921, 922 BGB Ausprägungen der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber bezweckt letztlich, Streit über nicht mehr aufklärbare Vorgänge im Rahmen der Errichtung bspw. eines Gartenzauns zu vermeiden. Wurde also in der Vergangenheit ein gemeinsamer Gartenzaun errichtet, darf ein einzelner Nachbar diesen Zustand nicht mehr einseitig ändern.


BGH, Urteil vom 20.10.2017, AZ: V ZR 42/17

Amtlicher Leitsatz:
"Bei einer schon länger bestehenden Einrichtung, die sich wegen ihrer Vorteilhaftigkeit für beide Seiten objektiv als Grenzeinrichtung darstellt, spricht eine Vermutung dafür, dass sie mit dem Willen beider Nachbarn errichtet worden ist.

Das Erscheinungsbild einer Grenzeinrichtung ist Bestandteil ihrer Zweckbestimmung und kann von der ihr immanenten Ausgleichsfunktion zwischen den Interessen der Grundstücksnachbarn nicht getrennt werden. Es kann daher ohne Zu-stimmung des Nachbarn nicht verändert werden (Bestätigung von Senat, Urteil vom 23. November 1984 V ZR 176/83, NJW 1985, 1458)."