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BGH, Urteil vom 14.12.2012, AZ: V ZR 49/12
Für den Eigentümer eines Grundstücks kann sich die praktische Notwendigkeit ergeben, zum Zwecke von baulichen Maßnahmen oder Instandsetzungsmaßnahmen des eigenen Hauses das benachbarte Grundstück betreten zu müssen, so z. B. wenn die Giebelwand des Hauses an der Grundstücksgrenze steht und nicht anders zu erreichen ist als vom nachbarlichen Grundstück. Die jeweiligen Nachbarrechtsgesetze sehen daher das sog. "Hammerschlags- und Leiterrecht" vor; für Nordrhein-Westfalen gilt insoweit § 24 NachbG NRW.
Das Recht ist allerdings an einige Voraussetzungen geknüpft: Die Arbeiten dürfen anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden können, die mit der Duldungspflicht des Nachbarn verbundenen Nachteile oder Belästigungen dürfen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Eigentümer erstrebten Vorteil stehen und es müssen ausreichende Vorkehrungen zur Minderung der Nachteile und Belästigungen getroffen werden. Darüber hinaus sind die Arbeiten gem. § 24 Abs. 3 in Verbindung mit § 16 NachbG NRW einen Monat vor Beginn der Arbeiten schriftlich anzuzeigen.
In dem vorliegenden Fall plante der Eigentümer Renovierungs- und Sanierungsarbeiten an seiner Giebelwand und kündigte seinem Nachbarn seine Absicht an, näher bezeichnete Arbeiten ab der ersten Juniwoche 2009 in einem Zeitraum von zwei bis drei Wochen durchzuführen. Hierzu wolle er ein Gerüst auf dem Nachbargrundstück an der Giebelwand aufstellen. Die Arbeiten würden etwa 4 Wochen dauern.
Der Nachbar lehnte das Ansinnen jedoch ab, woraufhin der Eigentümer Klage erhob. Nachdem das Amtsgericht der Klage stattgegeben hatte, legte der Nachbar Berufung ein. Das Landgericht hielt das Urteil mit der Maßgabe aufrecht, dass die Duldungspflicht unter der "Bedingung" stehe, dass der Eigentümer seinen Nachbarn Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten im Einzelnen mindestens einen Monat vor deren Beginn schriftlich anzeige.
Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte nun klar, dass der Nachbar nur dann zur Duldung der Arbeiten von seinem Grundstück verurteilt werden könne, wenn der Eigentümer sämtliche Voraussetzungen von § 24 NachbG NRW darlege und beweise. Hierzu gehöre im vorliegenden Fall, dass zunächst geprüft werden müsse, welche Arbeiten der Eigentümer im Einzelnen plane, da längst nicht alle Arbeiten vom Nachbarn geduldet werden müssten (z. B. keine reinen Verschönerungsmaßnahmen). Im gerichtlichen Verfahren seien ggf. entsprechende Feststellungen zu treffen. Demnach müsse der Eigentümer Art und Umfang der Arbeiten im Einzelnen und zu dem räumlichen Umfang der gewünschten Inanspruchnahme des benachbarten Grundstücks detailliert vortragen.
Bestehe hiernach ein Duldungsanspruch dürfe der beklagte Nachbar aber nicht unter der "Bedingung" verurteilt werden, "dass der Eigentümer ihm Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten vorher anzeigt", da die Anzeigepflicht nur noch hinsichtlich des Beginns der Arbeiten bestehe. Grundsätzlich sei für die Duldungspflicht erforderlich, dass sowohl Beginn der Arbeiten nach Tag und Uhrzeit angegeben und der voraussichtliche Umfang der Arbeiten so genau wie möglich umrissen würden. Denn der belastete Nachbar müsse sich darauf einstellen können, in welchem Umfang er sein Grundstück freizuhalten habe. Erkläre sich der Nachbar auf eine solche - rechtzeitige und konkrete - Anzeige nicht, dürfe der Eigentümer das Nachbargrundstück ohne Weiteres für die Durchführung der Arbeiten betreten und nutzen.
Verweigere der Nachbar aber das Recht, muss der Eigentümer Duldungsklage erheben und darf das Nachbargrundstück erst aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung in Anspruch nehmen. Dann bestehe aber kein Bedürfnis dafür, dass der Eigentümer im Fall der Verurteilung des Nachbarn diesem die Arbeiten und deren Dauer noch einmal anzeige, da die Klage ohnehin auf Verurteilung zur Duldung des Betretens und Nutzens des Nachbargrundstücks für ihrer Art nach aufgeführte und innerhalb eines bestimmten Zeitraums auszuführende Arbeiten gerichtet sei. Der Sachvortrag des Eigentümers im Prozess zu Art und Umfang der Arbeiten und der Nutzung des Nachbargrundstücks habe zwangsläufig denselben Inhalt wie die Anzeige, wenn die Klage überhaupt Erfolg haben soll.
Soweit also das Berufungsgericht die Klage unter die "Bedingung der vorherigen Anzeige der Arbeiten nach Art und Umfang" gestellt habe, sei dies falsch. Die vermeintliche Schwierigkeit, wonach der klagende Eigentümer in dem Rechtsstreit den genauen Zeitpunkt des beabsichtigten Beginns der Arbeiten gar nicht angeben könne, weil er nicht weiß, wie lange sich der Rechtsstreit hinziehe, so dass er keinen konkreten Klageantrag stellen kann, besteht nach Auffassung des BGH nicht. Der Kläger müsse seinen Klageantrag lediglich dahingehend formulieren, dass er die Arbeiten erst einen Monat nach dem Zugang der Mitteilung über den beabsichtigten Arbeitsbeginn ausführen darf. Dass er dann dieser Mitteilungspflicht nachgekommen ist, habe er ggf. im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachzuweisen.
Der vom BGH erkannte feine Unterschied: Der Duldungsanspruch besteht bereits unter den Voraussetzungen des § 24 NachbG NRW, die Ausübung des Rechts müsse aber vorher gem. § 16 NachbG angekündigt werden, was bei der Formulierung der Klage exakt beachtet werden muss.
Weitere Fundstellen u. a.:
Amtlicher Leitsatz:
"a) Die Anzeige der beabsichtigten Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts muss Angaben zu dem voraussichtlichen Umfang der geplanten Arbeiten, zu deren Beginn und Dauer sowie zu Art und Umfang der Benutzung des Nachbargrundstücks enthalten.
b) Die Anzeige ist Voraussetzung für die Ausübung des Rechts, nicht für das Bestehen des Duldungsanspruchs."
